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Dunkle Flecken
Ausstellungsansichten

Der Körper als Landschaftsbild – Zur Ausstellung „Dunkle Flecken“ von Eva Galonska, 7.4.2013 Bad Belzig

In ihrem Gedicht „Dunkle Flecken“ von 2007 zitiert Eva Galonska mit melancholisch spröder Poesie das Grauen vor der Dunkelheit des Gemüts. Ihr neuer Werkzyklus, der hier in dieser Ausstellung unter gleichem Titel zu sehen ist, ist die Vergegenständlichung dieses Prinzips im Körper.

Bekannt ist die Künstlerin vor allem für ihre Aquarelle und transparenten Ölfarben, meist auf weißem
Untergrund. Ein sichtbarer Einfluss, auf den sie sich auch ausdrücklich bezieht, ist die anglo‐amerikanische
Künstlerin Cecily Brown, wobei Ausgangspunkt und Intention sich jedoch unterscheiden. Deutliche Ähnlichkeiten gibt es in Farblichkeit und Dynamik, die Zitate des „weiblich“‐Konnotierten nicht scheuen: Pastellfarbene, energiegeladene, dabei federleichte Arrangements. Browns Verwendung von Rottönen liegt in
der Assoziation zum Fleischfarbenen. Sie führt den Blick der BetrachterInnen durch ihre quirlig wirbelnden Darstellungen über das Bild und verankert ihn schließlich hin und wieder in der konkreten Form von männlichen und weiblichen Aktdarstellungen in Interaktion. 

Eva Galonska hingegen verweigert in ihren früheren Werken eine solche Erlösung der Suchbewegung des
Blicks. Auch sie thematisiert den menschlichen Körper. Allerdings gliedert sie ihn auf und bearbeitet ihn in
seiner theoretischen nicht‐Fassbarkeit, die sich über die alltägliche Erfahrung wie ein Schutzschild legt. Die
BetrachterInnen werden durch diesen Schutzschild auf sich selbst zurückgeworfen. Der Gestus des Spielerischen, der zarten Farben und Töne, des Leichten ist in unserer Gesellschaft klar mit Vorstellungen von
Weiblichkeit verbunden. Man spürt in der Dynamik die Suche, das Unvollendete, das Streben nach mehr, die
vollzogene Bewegung, provozierend, ohne aber direkt aufrührerisch zu sein. Bei Galonska liegt das Subversive
hinter den Darstellungen. Oft wird es schon durch dunklere Elemente angedeutet. Meist wirkt es jedoch durch
die meditative Aufgewühltheit hindurch, wie drängende Fragen. Quirlige Bündel von Fragezeichen, die sich zu
dunklen oder hellen, vor allem aber verdeckenden Wolken auftürmen und Spannung aufbauen, da man die
Monumentalität, die sich dahinter verbirgt nur erahnen kann.

Nun in ihrem neuen Werkzyklus reißt sie diese Wolken mit einem Orkan förmlich auf – und legt die darunter
liegenden dunklen Ebenen, die dunklen Flecken frei, wie einen tiefen Abgrund. Mit hoher Intensität erlebt man
diese Arbeiten, in denen sie nach dem Leben, dem Leib, dem Leid greift und auch der Assoziation mit dem Tod
direkt in die Eingeweide. Dunkel, roh, von organischer Tiefe, gleichzeitig von einer unglaublichen Feinheit
geprägt. Das Detail muss man sich erarbeiten. In der Komplexität ihrer Werke entdecken wir Stück für Stück immer neue Bedeutungen.

Hier wird eine ganz andere Seite von „Weiblichkeit“ inszeniert. Mit dem weißen Kleid verweist sie noch einmalselbstironisch auf die gesellschaftlichen Erwartungen an Reinheit und Unbeflecktheit. Hier sind jedoch schon die Zeichen einer gewissen Morbidität zu erkennen. Kleine Hinweise auf Vergänglichkeit, die aber als Elemente, wie Verzierungen, einfach integriert werden und somit nicht unter die Oberfläche gelangen. Was sie jedoch in der Malerei in Schlammfarben, wie Waldboden, Morast und Erde inszeniert, sind Motive zur „Natur“ des weiblichen Körpers. Wem gehört dieser Körper und was sind das für Prozesse, die da so mit und in ihm ablaufen?

Diese Werke sind eine Inszenierung des weiblichen Körpers als Landschaftsbild. Oft wird Landschaft oder Natur als Metapher für das Weibliche benutzt: Die perfekte Landschaft, die Höhle als das Urprinzip der Weiblichkeit, Wasser für das Fließende, Flexible im Weiblichen oder einfach „Schönheit“. Das Weibliche per se als Natur als Gegenstück zur männlich konnotierten Kultur. Hier sehen wir jedoch den normalerweise dieser Kultur unterworfenen und geformten Körper, als vergängliche Materie dargestellt. Auch Mutterschaft, kein seltenes Thema bei Künstlerinnen, wird hier aus dieser Perspektive dargestellt. Der Körper, wird fremdbestimmt, benutzt, gebraucht, besetzt. Es ist ein Körper, der dabei schmerzt, schwillt, sich dunkle Flecken zuzieht, die in das Gewebe sickern, und schließlich wieder in der Erde versinkt. 

Somit sehen wir hier weniger abstrakte Bilder, als expressionistische, in denen der konkrete Körper als
subjektive Erfahrung porträtiert wird. Auf diese Weise verschiebt die Künstlerin mit ihren Landschaftsbildern
die Grenzen des Selbstbildnisses. Dieses ist in der modernen und zeitgenössischen Kunst weit weggerückt, vondem Anspruch das Gesicht zu thematisieren oder überhaupt die menschlichen Züge nachzuahmen. Stattdessen geht es um Inszenierungen des Körpers in relevanten Kontexten. Galonska zeigt ihn als den Gesetzen der Natur unterworfen.

Diese Dunklen Flecken sind die Antworten auf die Fragen, die Eva Galonska mit ihren früheren Werken aufgeworfen hat. Sie eignet sich das Thema selbstverständlich an und schafft sich so die Möglichkeit, durch die Inszenierung des Körpers in unterschiedlichen Kontexten, durch seine Interpretation nach verschiedenen
Mustern, Bedeutungen zu erzeugen und so symbolisch seine tatsächliche Gefährdung in einen Rahmen zu bannen. Und über das Dunkle hinauszuwachsen.

Stefanie Mallon, Carl-Ossietzky Universität Oldenburg.